Gruppenprozesse durch Musik bewusst machen

Nathan Berg hat sich als Psychologe, psycho-sozialer Coach, Musiker, seine Arbeit in der Familienhilfe und durch die jahrelange Leitung von Rhythmus-Gruppen über die Beat-Etage sehr fundiert mit dem Thema Gruppendynamik beschäftigt.

Das handgemachte Produzieren von Trommelrhythmen kann sehr gut als Metapher für gruppendynamische Prozesse gesehen werden. Die sogenannte Polyrhythmik zeichnet sich dadurch aus, dass jede Einheit (Einzelperson / Kleinteam) einer Gruppe einen anderen einfachen Basis-Rhythmus spielt und erst durch das Zusammenfügen der verschiedenen Einheiten der eigentliche Gesamtrhythmus mit einem vollen Klang entsteht.

Dabei spielen Punkte wie „aufeinander hören“, „zur richtigen Zeit im angemessenen Tempo seinen Teil dazu geben“, den „Rhythmus der  Gruppe spüren“, eine „angemessene Balance zwischen Denken und Handeln finden“ und vieles mehr eine wichtige Rolle. Diese Grundpfeiler erfolgreicher Zusammenarbeit kann Nathan Berg mit einer Gruppe trommelnd aktiv und mit viel Spaß an der Sache gut hervorheben, sichtbar und vor allem direkt erfahrbar machen.

In einem Training mit Teambuilding-Charakter für Jugendliche werden einfache Rhythmen auf traditionellen westafrikanischen Instrumenten gespielt, die jeder innerhalb kurzer Zeit lernen kann. Sobald die Rhythmen der einzelnen Instrumente zusammengefügt werden, bietet die Musik eine eindeutige Rückmeldung zur Qualität des gemeinsamen „Arbeitens“.

Das Erlebnis von Resonanz und Dissonanz ist beim Spielen von handgemachtem Rhythmus direkt erfahrbar und bietet eine gute Grundlage, um die Prozesse offen anzusprechen. Schafft die Gruppe es, in eine Resonanz zu treten, wird das gemeinsame Spielen eines Rhythmus‘ wie zu einem Fest, das die Gruppe miteinander feiert.

Ein rhythmisches Resonanzerlebnis ist für Gruppen meistens eine unvergessliche kollektive Erinnerung und gilt als eine starke Metapher für erfolgreiche Zusammenarbeit.

Bericht eines Trommel-Workshops mit Teambuilding-Charakter für Jugedliche im Jugendfunkhaus vom 16.-20.11.2015

Für eine Woche studierte Nathan Berg mit einer Gruppe von 6 männlichen Jugendlichen traditionelle Rhythmen auf Djembes (Handtrommeln), Dununs (3 verschiedene Basstrommeln, die mit Stöcken und Eisenglocken gespielt werden) und Rasseln aus Westafrika. Traditionelle Djembemusik zeichnet sich besonders dadurch aus, dass es sich um Polyrhythmus handelt – jedes Instrument/jeder Spieler spielt einen anderen Basisrhythmus und erst das exakte Zusammenfügen dieser verschiedenen Basisrhythmen ergibt den vollen Rhythmusklang. Dieses polyrhythmische Zusammenspiel bedarf einerseits einer Konzentration auf den eigenen Basisrhythmus, andererseits die Offenheit, den Basisrhythmus der Mitspieler zu hören/spüren. Jeder Spieler muss also den Gesamtgroove der Gruppe hören/spüren/fühlen. Ziel war es, in dieser Woche 1-3 verschiedene Polyrhythmen so zusammen zu durchdringen und zu üben, dass die Gruppe diese sicher vor Zuhörern aufführen kann. Dabei war es Nathan Berg wichtig, dass die Jugendlichen einerseits Polyrhythmen mit verschiedenem Charakter (bspw. entspannt vs. treibend) kennenlernen und gleichzeitig ein dynamisches Spiel kennen lernen (siehe unten).

Polyrhythmische Lernprozesse können als eine sehr gute Metapher für komplexe Kooperation genutzt werden. Vorerst fiel es den Jugendlichen sehr schwer, dass jeder etwas anderes spielt. Die Trommelklänge der anderen Spieler lenkten die Teilnehmer davon ab, bei ihrem eigenen Rhythmus zu bleiben. Immer wieder probten alle zusammen die gleichen Basisrhythmen, damit die Bewegungen rein motorisch sauber durchführbar waren. Schon dabei entstanden immer wieder Situationen, in denen die Jugendlichen sehr energiegeladen reagierten und mit Freude schneller und lauter spielen wollten. Die Gruppe ging immer wieder auch in Phasen von reinem Trommelwirbel über, um das Chaos spüren zu können, was geschieht, wenn alles einfach konfus durcheinander getrommelt wird. Dabei war interessant, dass die Jugendlichen nach einer solchen chaotischen Phase immer den Wunsch äußerten, jetzt doch einmal „richtig“ zu spielen. Dann arbeitete die Gruppe wieder daran, mehrere Basisrhythmen zusammen zu fügen, um mehr Melodie im Rhythmus zu erzeugen. So führte Nathan Berg die Jugendlichen Stück für Stück dahin, einerseits musikalisch aufeinander zu hören, andererseits bei sich zu bleiben und sich soweit auf den eigenen Basisrhythmus zu konzentrieren, dass jeder sicher seinen eigenen Teil zum Gesamtrhythmus beitragen kann. Es ergaben sich schon am Ende des 2. Workshoptages Situationen, wo einige Teilnehmer während des Spielens die Augen schlossen, um den gesamten Groove zu spüren und gleichzeitig im eigenen Basisrhythmus zu bleiben. Die Jugendlichen machten so ihre ersten musikalischen Resonanzerfahrungen und berichteten auf Nachfragen, dass es sich gleichzeitig energiegeladen und entspannt anfühlte – die Erfahrung von energetischen Balancezuständen, welche insbesondere männlichen Jugendlichen häufig sehr schwer fallen.

Die Gruppe berichtete immer wieder davon, dass es ihnen sehr viel Spaß mache. Dennoch war die Aufmerksamkeitsspanne häufig nicht länger als 20 Minuten aufrecht zu erhalten. Nathan Berg gestattete den Jugendlichen viele kurze Pausen, mit der Bedingung, dass sich alle danach wieder  gemeinsam für 20 Minuten stark aufeinander Konzentrieren.

Bis zum 3. Workshoptag tauschten die Teilnehmer immer wieder die Instrumente, um alle Basisrhythmen kennen zu lernen und die verschiedenen „Klangperspektiven“ zu hören. Am 4. Tag entschlossen sie von sich aus, dass es sinnvoller sei, wenn jeder für die Aufführung fest an einem Instrument spielt, dass ihm am meisten liegt. Die Jugendlichen einigten sich einvernehmlich darauf, wer welches Instrument spielt. Rhythmisch sichere Teilnehmer übernahmen eher die prägnanteren Instrumente, die Unsicheren übernahmen eher die leichteren und weniger prägnanteren Basisrhythmen. Zwei Jugendliche entschieden sich, synchron einen Basisrhythmus auf den Djembes zu spielen, um sicherer zu sein.

Am vierten Tag hatte die Gruppe bereits Freude daran, Gruppendynamiken zu spüren und gemeinsam Geschwindigkeits- und Lautstärkewechsel durchzuführen.

Am letzten Tag der Workshopwoche führte die Gruppe mit viel Energie und Spaß 3 verschiedene Polyrhythmen vor einem Publikum vor.

Der Einschätzung Nathan Bergs nach lernten die Jugendlichen innerhalb der 5 Tage intensiver Beschäftigung mit musikalischen Gruppenprozessen, mehr aufeinander zu hören, sensibler dafür zu werden, wie die Stimmung in der Gruppe ist und sich achtsamer dafür zu sein, dass alle aufeinander angewiesen sind. Die Gruppe machte auch Versuche, wie es ist, wenn jeder einfach spielt, was er möchte, ohne auf die anderen zu hören oder sich abzusprechen. Die Jugendlichen meldeten dann schnell zurück, dass dies langfristig keinen Spaß mache. So kamen sie trotz chaotischer Phasen immer wieder dazu zurück, „gemeinsam“ etwas zu kreieren, was sich „irgendwie besser anhört“, als ausschließlich ein Egospiel durchzuziehen.

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